RuhrstadtStudio

„Sie hören das Wunschkonzert aus dem Tonstudio im Evangelischen Krankenhaus Witten“. Mit diesen Worten begann am 6. November 1976 die erste Sendung des Krankenhausfunkes Witten. Vermutlich zumindest, denn eine Aufnahme dieser aller ersten Sendung, die gibt es leider nicht. Das Wunschkonzert, das nämlich ging live über die Kabel des neuen Evangelischen Krankenhauses Witten.

„Sie wünschen, wir spielen“, so lautete das Motto des Krankenhausfunkes über viele, viele Jahre hinweg. Der Krankenhausfunk, er ist die Keimzelle des heutigen RuhrstadtStudios in Witten. Seit 1976 befindet sich das dazugehörige Tonstudio in der zweiten Etage des Krankenhauses. Heute sind die Sendungen, die im RuhrstadtStudio Witten produziert werden, nicht nur über Antenne im Ennepe-Ruhr-Kreis zu empfangen. Per Livestream gehen die Sendungen ins Internet und können weltweit live gehört werden. Und diverse Podcasts können jederzeit überall abgehört werden. Wie aber hat eigentlich alles angefangen, warum wurde überhaupt ein Tonstudio in einem Krankenhaus eingerichtet?

Die Idee kam aus Großbritannien und den USA.

Hospital Radio.

Diese Idee schwappte in den 1970er Jahren nach Deutschland über. In vielen Kliniken, Krankenhäusern, Kurhospitälern waren es vor allem junge Ärzte, Schwestern, Diakone und andere Mitarbeiter, die die Idee aus den Großbritannien auf deutsche Krankenzimmer umlegen wollten. Die Patienten sollten sich, so eine Idee dieser Zeit, im Krankenhaus wohl fühlen, sich als Teil eines Ganzen betrachten und am Leben im Krankenhaus teilhaben. Aber wie soll das gehen, wenn man möglicherweise ans Bett gefesselt ist und das eigene Zimmer nicht einmal verlassen kann?

Das Radio als Kommunikationsmedium machte eine Teilhabe zumindest im Kleinen möglich. Mit Informationen und Unterhaltung, aufbereitet von ehrenamtlichen Radiomachern für die Patienten in den Krankenzimmern.

Nun gab es in Deutschland allerdings ein Problem: Radiomachen ist im Prinzip ganz einfach, Radiohören ganz und gar nicht – denn um Radio hören zu können, bedarf es nicht nur eines Radios, sondern auch eines Senders, der das Programm überträgt. Und was tun, wenn die Gesetze dies nicht zulassen? Wir erinnern uns einmal an die 70er Jahre: In Nordrhein-Westfalen buhlten gerade einmal vier Radiosender und die Hörerschaft. Namentlich waren das 1976 WDR 1, WDR 2, WDR 3 und BFBS. Privaten Rundfunk gab es nicht, jenen Rundfunk, ebenso wenig gab es etwa Uni- oder Krankenhausradios, die terrestrisch hätten empfangen werden können. Es war schlicht nicht erlaubt, einen Sender aufzustellen und ein Radiosignal über diesen Sender zu schicken – im Gegensatz zu Großbritannien, wo bereits 1925 die ersten Krankenhausradios ihr Programm aufnahmen!
Nun gibt es kein Gesetz ohne eine Lücke – und diese Lücke tat sich im Jahr 1976 in Witten auf. Mit dem Abriss des alten Diakonissenhauses an der Pferdebachstraße und der Errichtung des heutigen Evangelischen Krankenhauses Witten, wurden in allen neuen Krankenzimmern und anderen Räumen Kabel für den Radioempfang gelegt – und genau das war die Lücke. Über Kabel, intern im Krankenhaus, da durfte Radio gesendet werden. Und so schlug 1976 die Geburtsstunde des Krankenhausfunkes Witten.

Die Macher dieses Radiosenders arbeiteten ohne Ausnahme ehrenamtlich. Da ließ sich natürlich kein 24-Stunden-Sendebetrieb initiieren. Aber samstagnachmittags und mittwochabends hieß es für zwei, drei Stunden „Wunschkonzert – Sie wünschen, wir spielen“. Das Musikprogramm, das nunmehr über die nächsten Jahre über die Radioleitungen verbreitet werden sollte, war bunt. Und ganz ehrlich: Mit einem solchen Programm würde man heute jeden zielgruppenorientierten, jungdynamischen Radiochef direkt in den Wahnsinn treiben. Es konnte passieren, dass einem Heino Black Sabbath folgte, einem Rudolf Schock die Scorpions, denen wiederum Udo Jürgens dicht auf den Fersen hing, während John Denver und Abba den melodischen Kampf mit U2 oder Herbert Grönemeyer aufnahmen. Beim Wunschkonzert gab es keine Vorgaben. Was das Studio an Musik hergab, wurde gespielt. Mit Grüßen, mit Wünschen, garniert mit Infos aus dem Haus.

Es dauerte 16 Jahre, bis am 29. Juli 1992 erstmals Radio aus dem Krankenhaus hinaus in den Kreis gestrahlt wurde. Möglich machte diesen Wechsel von Drinnen nach Draußen das seinerzeit relativ neue Landesrundfunkgesetz in Nordrhein-Westfalen. Das sah nämlich vor, dass die privaten lokalen Radiostationen, die seit 1991 in NRW senden durften, einen bestimmten Anteil ihrer Sendezeit freien Radiogruppen zur Verfügung stellen mussten. Meinungsvielfalt sollte so gewahrt werden. Bürgerfunk wird dieses Medium genannt. Diesem Medium öffnete sich der Krankenhausfunk und seit 1992 ist das Tonstudio im Evangelischen Krankenhaus eine Radiowerkstadt. Das heißt: Seit 1992 werden hier Sendungen für den Bürgerfunk auf Radio EN produziert. Und ob Sportvereine, Heimatvereine, die VHS, Kulturschaffende aus den unterschiedlichsten Bereichen: Sie nutzen seither das Tonstudio im Evangelischen Krankenhaus Witten, um an die Öffentlichkeit zu treten.

1976 bis heute.

Über 30 Jahre RuhrstadtStudio Witten. Und ein bisschen Wehmut liegt in der Luft. Als Tonstudio in der Bürgerfunkproduktion wird an der Pferdebachstraße in Witten fleißig Radio gemacht. Inzwischen produziert nicht mehr nur das Team vom Krankenhausfunk hier Sendungen, auch der Radioverein Megaherz hat hier seine Heimat gefunden ebenso wie die Radiomacher von Antenne Witten, die seit 1996 aus dem RuhrstadtStudio berichten. Und zu ihnen gesellen sich unzählige Bürgerinnen und Bürger, die hier ihre Arbeit im Sozialen, im Sport oder in der Kunst in die Öffentlichkeit zu tragen. Nur Radio fürs Krankenhaus, für die Patienten des Evangelischen Krankenhauses Witten, das entsteht hier nicht mehr. Mit dem Wunschkonzert wurde am 6. November 1976 der Grundstein der Studio-Arbeit gelegt, die Radiomacher sendeten von verschiedenen Veranstaltungen im Krankenhaus oder dem Diakoniegelände live in die Krankenzimmer, Magazinsendungen für Mitarbeiter und Patienten entstanden hier.

Seit dem Jahr 2000 herrscht diesbezüglich allerdings Funkstille. Zuletzt ging der Krankenhausfunk nur noch am Mittwochabend auf Sendung, aber ganz ehrlich: Gegen 25 Fernsehkanäle kamen die Radiomacher zuletzt nicht mehr an. Hinzu kommt, dass sich die Liegezeiten der Patienten in den letzten Jahren deutlich verkürzt haben, sodass die Bindung ans Krankenhaus von Patientenseite nicht mehr so eng ausfällt wie noch 1976 oder 1988.

Die Sendungen, die heute im RuhrstadtStudio entstehen, die werden im Bürgerfunk von Radio EN (Hagen) ausgestrahlt. Über Antenne und Kabel, sowie über das Webradio.

Aber wer weiß, vielleicht gibt es ja irgendwann wieder ein Live-Programm aus dem Evangelischen Krankenhaus Witten. Ideen, die haben wir genug. Lassen Sie sich einfach überraschen!